Einsamkeit

Vor kurzem habe ich eine Doku geschaut in der es um Einsamkeit ging. Quintessenz war, dass der heutige Lebensstil zur Vereinsamung führe, was durch Corona noch verstärkt würde. Es wurde ein, wie ich finde absurdes Beispiel angeführt: Leute die per Online Meeting essen oder einen Livestream auf YouTube posten um nicht allein essen zu müssen.

Oder es wurde in einem Ort ein „Schwatz-Bänkle“ eingeführt. Dies soll Einsamkeit dadurch bekämpfen, dass man sich dort hinsetzt, wenn man mit jemanden schwätzen möchte.

Nun lebe ich zum Beispiel aber auch allein. Dazu kommt noch, dass meine Kinder auf eigenen Wunsch bei ihrem Vater leben. Ich habe keinen Lebenspartner und einen ausgewählten Kreis an FreundInnen und Bekannten.

Eigentlich die perfekten Grundvoraussetzungen um sich einsam zu fühlen, oder?

Trotzdem ich die meiste Zeit allein verbringe, fühle ich mich nicht einsam.

Womit ich nicht behaupten will das nie ein Bedürfnis nach Nähe spüren würde das sich im konkreten Moment nicht befriedigen lässt. Aber das ist keine Einsamkeit.

Einsamkeit in der Zweisamkeit

Ich glaube, die Annahme, die körperliche Abwesenheit eines menschlichen Gegenübers löse Einsamkeit aus, ist zu oberflächlich. Dem eigentlichen Kern der Einsamkeit kann man sich eher annähern, wenn man sich das Phänomen Einsamkeit in Gesellschaft anschaut.

Ich denke hier an die Menschen die eine Beziehung, viele Bekannte, im Job und auch in der Freizeit viele unterschiedliche Kontakte haben und sich trotzdem einsam fühlen.

Sind diese Mitmenschen denn nun alle so gefühllos, distanziert und oberflächlich, dass sich zu ihnen keine bedeutungsvolle Beziehung aufbauen lässt? Das ist wohl eher unwahrscheinlich.

Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Menschen sich dann einsam fühlen, wenn sie den Kontakt zu sich selbst verloren haben. Dies passt auch gerade zu dem Gefühl niemanden zu haben, dem man sich wirklich öffnen kann. Man fühlt sich verloren und dies führt dann zu der Einsamkeit.

Das sich verloren fühlen ist richtiger ein sich selbst verloren haben.

Den Kontakt zu den inneren authentischen Gefühlen. Häufig gehört man von diesen Menschen Aussagen wie – ich weiß gar nicht, wer ich bin.

Meistens werden diese negativen Gefühle durch ständige Ablenkung und Aktivität bekämpft. Man hat dann ständig etwas zu tun und braucht sich nicht mit der Leere auseinanderzusetzen, die einträte, wenn endlich Stille herrscht.

Stille herrscht dann, wenn wir alleine sind. Deshalb wird der kaputte Fernseher zur existentiellen Bedrohung.

Das Selbst, dem wir uns entfremdet fühlen, ist die Seele. Für unser Selbst halten wir jedoch zumeist den Denker. Jene Stimme in unserem Kopf, die die ganze Zeit Pläne schmiedet. Die vergleicht und sich sorgt. Also alles tut, was uns aus unserem Gleichgewicht bringt. Trotzdem verwechseln alle Menschen zumindest einen Teil ihres Lebens den Denker mit ihrer Seele.

Was wir vermissen befindet sich nicht im Außen, sondern im Innen. So wird auch nachvollziehbar, warum alle Versuche diese empfundene Leere mit Dingen aus dem Außen zu füllen zum Scheitern verurteilt sind.

Und es ist egal, ob wir diese Leere mit einer Heirat oder dem Kauf eines Statussymbols versuchen zu füllen. Oder mit dem Konsum mehr oder weniger schädlicher Drogen.

Ich habe nichts gegen Heiraten, teure Autos, auch nicht gegen’s Kiffen. Aber nichts davon wird uns weiter bringen, wenn wir damit versuchen die innere Leere zu füllen.

Solange sich unser Suchen und Streben nach Außen richtet, müssen wir scheitern.

Es fehlt immer etwas.

Nun leben wir jedoch in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das gerade davon abhängt, dass wir die innere Leere mit materiellen Konsumgegenständen füllen. Könnte die Kosmetikindustrie uns nicht beständig vorgaukeln das wir schöner und jünger aussehen müssten, wäre sie in dem heutigen Umfang schlicht nicht existent. Wir hätten 2 bis 3 Seifenproduzenten.

Und viele Schönheitschirurgen müssten sich auf Fälle beschränken, die wirklich Hilfe brauchen und könnten sich kein großes Haus oder Auto auf Pump leisten…

Dieses Prinzip gilt für eigentlich alle Branchen.

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Die Liste lässt sich beliebig fortführen

Leider gehören auch viel Bücher zum Thema „Lebenshilfe“ in diese Kategorie. Und selbst die Autoren, die wirklich etwas Fundamentales zu sagen haben, sind gezwungen dies in immer neuen Worten zu tun. Zum einen, weil ihre KonsumentInnen es mit einem Buch nicht geschnallt haben und weil dies – eventuell – ihre einzige Einkommensquelle ist.

Mir fällt hier besonders ein Autor ein, der eigentlich mit einer Publikation alles gesagt hat, was man wissen muss, aber er legt nach und nach und nach….

Bitte nicht falsch verstehen, SOLCHEN Leuten gönne ich den Erfolg wirklich von Herzen. Aber es macht mich traurig, das etwas so simples so schwer zu erlangen zu sein scheint, für den Großteil der Menschen. Zufriedenheit mit dem was ist.

Alle diese Produkte lindern den Schmerz. Sie heilen ihn nicht. Und das ist der Grund, warum eine Konsumgesellschaft so gut funktioniert. Einzelne die ausbrechen werden entsprechend bewundert, bestaunt und gefürchtet.

Genug ist im Außen nie zu finden. Dieses Genug findet sich nur im Inneren.

Bin ich mir selbst genug darf ich glücklich sein, weil ich weiß, dass ich alle habe, was ich brauche. Darum fühle ich mich nicht einsam auch, wenn oder gerade dann, wenn niemand um mich herum ist.

Liebesobjekt

Wenn wir immer jemanden brauchen um diese Person lieben zu können, fallen wir immer wieder in die Einsamkeit zurück, wenn uns diese Person verlässt oder auch, nur wenn es Unstimmigkeiten oder Streit gab. Das führt zum Phänomen der „seriellen Monogamie“. Diese Personen geht zwar nicht fremd, hüpft aber so zusagen von einem Bett ins nächste. Dies ist sozusagen nichts Persönliches. Es liegt nur daran, dass solche Personen ihre Partner „benutzen“ um ihre Einsamkeit zu übertünchen.

Wirklich glücklich kann man so nicht werden. Es kann sogar so weit führen, dass jemand in puncto Partnerschaft immer mit einem halben Auge auf der Suche nach etwas besseren ist.

Die serielle Monogamie hat somit durchaus was von Serienkiller. Es tötet einmal die Gefühle des „Serientäters“ und es hinterlässt – sofern der /die Verlassene dieses Verhalten nicht durchschaut – erhebliche seelische Verletzungen bei der anderen Partei.

Und die Einsamkeit lauert immer an der nächsten Ecke

Verbinden wir uns aber mit uns selbst, brauchen wir kein Liebesobjekt. Weder einen anderen Menschen, ein Haustier noch ein Objekt (Auto, Parfüm etc.). Dies soll keine Aufforderung sein ein Eremitendasein zu führen. Aber wer sich geistig und vor allem seelisch unabhängig macht von Anspruchs- und Konsumdenken, ist entspannt und glücklich. Und braucht sich nicht einsam zu fühlen.

Es ist so simpel, dass es absurd scheint. Aber gerade diese Tatsache scheint es so schwer zu machen.

Diese Unabhängigkeit führt auch schier automatisch zur Selbstliebe. Auch darum brauchen wir kein Objekt mehr. Es steckt kein Zwang mehr dahinter und die Angst vor Verlust schwindet.

Das in einer Konsumgesellschaft mehr oder weniger unbewusst alles dafür getan wird, uns Sand in die Augen zu streuen, versteht sich fast von selbst.

Jedoch können wir erst im Zustand der Selbstakzeptanz und Selbstliebe wahrhaftig nach außen lieben. Und ich glaube das färbt ab, je mehr Menschen – und vor allem Kinder – wahrhaftig und das heißt bedingungslos geliebt werden, desto mehr werden selbst dazu in der Lage sein.

Darum fange noch heute damit an.

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