Winterzeit Erkältungszeit. Was für ein Glück dieses Jahr gibt’s genug Fiebersaft. Kein Gedanke an das Drama letztes Jahr, als der Ibusaft ausging. Man hätte denken können, Kinder seien in Lebensgefahr, der Fiebersaft das Einzige, was sie retten kann. Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons.
Fiebersaft Hype
Da frage ich mich wieder, wie ich meine Kindheit überleben konnte.
Nun habe ich ja zwei Kinder beim Aufwachsen geholfen, die auch oft genug krank waren. Ich muss zugeben ich war auch verunsichert von diesem ganzen Fiebersaft Hype. Aber mir ist etwas aufgefallen. Gab ich meinen fiebernden Kindern den quietschpinken nach künstlichen Himbeeren schmeckenden Saft, ging es ihnen natürlich toll. Sie fühlten sich fit. Kein Quengeln – das Kind funktioniert. Ist doch toll, oder? Oder doch nicht?
Krankheit ist Schonzeit

Wer sich nicht krank fühlt, der schont sich auch nicht. Das gilt für Erwachsene, aber noch mehr für Kinder.
Und was brauchen wir, wenn wir krank sind? Vor allem Ruhe und Schlaf. Und beides bekommt ein Kind, das so auf Droge ist, nicht.
Das Ganze hat auch noch einen weiteren Nachteil. Wir sind abhängig. Wir hängen an der Nadel der Pharmaindustrie. Man sieht es in jedem Erkältungshoch. Noch etwas: Fieber ist nicht gefährlich, sondern eine Selbstverteidigungstechnik des Körpers.
Fieber ist Selbstverteidigung
Mit Fieber kann man auch ganz anders umgehen. Nämlich es nehmen, was es ist: ein Zeichen, dass nicht alles in Ordnung ist.
Man kann es als Chance nehmen für eine Pause. Vom Kindergarten, von der Schule, vom Sport. Ins Bett kuscheln, viel Tee mit Honig trinken. Lieblingshörspiel an. Oder sogar vorgelesen bekommen. Und ein extra großes Stück Mama- oder Papa-Liebe. Wadenwickel. Ich erinnere mich noch an die wohligen Schauer, wenn sie gewechselt wurden. So kann Krankheit zur Qualitätszeit werden. Ein Oxymoron. Aber eigentlich gar nicht so abwegig, oder?
Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons – die unheilige Allianz
Letztens habe ich eine Werbung gehört. Kopfschmerztabletten zum Lutschen. Für Kinder. Weil Kinder ja oft Kopfschmerzen haben. So heißt es in der Werbung.
Ich hatte nur einmal Kopfschmerzen als Kind. Da hatte ich eine Gehirnerschütterung.
Meine Kinder haben nie Kopfschmerzen gehabt. Dann schon eher Ohrenschmerzen oder Halsschmerzen.
Kopfschmerzen, die körperliche Ursachen haben, bei Kindern gehören in die ärztliche Praxis. Und wenn es keine körperlichen Ursachen gibt? Das wird wohl in der Regel der Fall sein. Wovon sollten Kinder sonst Kopfschmerzen haben? Wenn nicht von ernsthaften Erkrankungen?
Und wenn sie sie doch haben, dann stimmt etwas nicht.
Stress oder Ärger im Kindergarten oder der Schule. Streit zwischen den Eltern. Zu wenig Aufmerksamkeit. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Nimm Dein Kind ernst
Die Reaktion darauf darf nicht ein Wegdrücken sein. Dir geht es schlecht? Nimm eine Pille. Das ist das Schlimmste, was wir unseren Kindern beibringen können. Schon bei den Kleinsten fängt Achtsamkeit an. Ernstnehmen der kleinen(?) Sorgen, der Traurigkeit, der Wut. Dann braucht es auch keine Kopfschmerzen. Dann braucht es nur ein Wort.
Und wegen echten Krankheiten geht es in die Kinderärztliche Praxis.
Ein Problem ist wohl, dass Krankheit generell nicht ins neoliberale Weltbild passt. Allzeit bereit durch Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons. Wie die Feuerwehr, das sollen die Eltern sein. Für den Job, den Arbeitgeber. Und bloß keine Krankheitstage wegen der Kinder nehmen.
Wollen wir das wirklich?
Abhängig von der Pharmaindustrie
Die Abhängigkeit von der Pharmaindustrie steigt. Eltern, Menschen allgemein, wissen sich nicht mehr zu helfen außer mit einer Tablette aus der Chemiefabrik. Das nimmt uns Selbstwirksamkeit und Freiheit. Und es nimmt uns auch eine Gelegenheit innezuhalten. Krankheit zeigt, dass etwas nicht stimmt. Aber das will allzu oft keiner hören.
Außerdem macht es harmlose Krankheiten unnötig teuer. Denn auch wenn die Krankenkasse zahlt, zahlen wir im Endeffekt alle. Überdies: alle Medikamente haben Nebenwirkungen. Ein weiteres Plus für die Wadenwickel. Lies Dir mal die Nebenwirkungen von Ibuprofen aufmerksam durch. Du achtest auf die Ernährung Deines Kindes, kaufst extra Bio, um dann ausgerechnet bei Krankheit den kleinen Körper zusätzlich zu belasten? Nächstes Mal lieber Wadenwickel, oder?
Selbstwirksamkeit entdecken. Weg von Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons.
Es bleibt (leider) die Aufgabe jedes einzelnen Menschen, sich da herauszuziehen. Wenn nicht um Eurer selbst willen, dann bitte wenigstens für Eure Kinder.
Aber wer Kinder hat, merkt in der Regel auch schnell, dass man auf sich selbst acht geben muss, wenn man den Kopf über Wasser halten will. Dauerhaft.
Eines muss klar sein: Ich rede hier nicht von ernsthaften Erkrankungen. Ich weiß auch, dass es Mut erfordert, den allzu bereitwillig verordneten Fiebersaft wegzulassen.
Ungünstigerweise ist es so, dass ÄrztInnen unnötige Medikamente verschreiben, weil die Eltern diese fordern. Und warum fordern sie? Teils sicher aus Unsicherheit gegenüber den Symptomen. Es wird zu wenig erklärt. Die kinderärztlichen Praxen sind noch überlaufener als die Allgemeinmedizinischen. Da bleibt keine Zeit.
Bleibt nur Selbstermächtigen. Die Oma, die eigene Mama fragen. Wie haben sie es gemacht? Bei Fieber, Halsschmerzen, Ohrenschmerzen. Entdecke Deine Selbstwirksamkeit. Ohne Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons
Tatsächlich wird der Einsatz von Antibiotika bei Ohrenschmerzen von der medizinischen Forschung kritisiert. Aber sobald ein Kind welche hat – zack Antibiotikum verschrieben. Warum? Weil es beruhigt und schneller geht? Dass Letzteres nicht stimmt, kann ich aus leidvoller Erfahrung bezeugen. Beruhigen tut es die Eltern. Es ist nicht schön, wenn mein Kind vor Schmerzen schreit. Aber nach einer Weile Erfahrung, habe ich nur noch mit Teebaumöl beträufelte Watte ins Öhrchen gedrückt. Beim ersten Anzeichen. Nach ein paar Stunden und manchmal über Nacht war der Spuk vorbei. Dies ist nur ein Erfahrungsbericht, keinesfalls eine Empfehlung.
Traditionell werden übrigens Zwiebeln verwendet, ebenfalls wegen der enthaltenen ätherischen Öle.
Besinne Dich auf altes Wissen und erkenne, wann Du an Deine Grenzen kommst.
Es gibt viele Möglichkeiten, milde Krankheitssymptome mit schonenden Methoden aus der Hausapotheke zu behandeln. Ob es nun Thymian-Tee mit Honig gegen Husten ist oder die Zwiebel auf dem Ohr. Ich plädiere ganz klar für mehr Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit bei Erkrankungen. Wer sich darauf einlässt, wird auch merken, dass man lernt zu erkennen, was ungewöhnlich ist oder ernst. Und dann heißt es zur ärztlichen Praxis.
Bei Krankheit ist es auch vor allem die Zeit und Ruhe, die man sich gönnen darf. Dass man diese braucht, erkennt man aber nur, wenn man Symptome nicht überdeckt. Mit Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons. Letztendlich Aufputschmitteln. Und nicht zuletzt werden die Wartezimmer leerer, wenn wir nicht bei jedem „Zipperlein“ gleich losrennen.
Links:
https://www.medizinfuchs.de/ratgeber/mittelohrentzuendung-ohren-schmerzen: Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons https://www.apotheken-umschau.de/therapie/therapiearten/wadenwickel-bei-kindern-was-beachten-792531.html: Fiebersaft und Kopfschmerzbonbons